Qualitätsstandards von Radwegen

Veröffentlicht von Walter am

Die Begriffe Veloroute, Radschnellweg, Radvorrangroute und Radhauptroute werden in diesem Artikel erläutert.

Der Radverkehr hat auch durch die Pandemie in den letzten zwei Jahren deutlich zugenommen, die Verkehrswende befördert den Ausbau der Radwege und fast alle Kommunen haben sich auf den Weg gemacht. Hier folgt der Versuch, die wichtigsten Ausbaustandards für Radwege zu beschreiben. Dies ist nicht ganz einfach, da es unterschiedliche Quellen zu berücksichtigen gilt. Und Achtung, ich bin kein Experte und gebe lediglich meinen Kenntnisstand wieder.

Die grundlegenden Rechtsvorschriften sind das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und die Straßenverkehrsordnung (StVO) und die dazugehörigen Verwaltungsvorschriften. Dort wird u.a. geregelt, welche Verkehrsschilder es gibt und unter welchen Bedingungen diese aufgestellt werden dürfen. In der StVO wird auch die Benutzungspflicht von Radwegen geregelt. In den Verwaltungsvorschriften zur StVO werden Mindestmaße für die Breite von Radwegen vorgegeben, so dass entsprechende Verkehrszeichen für benutzungspflichtige Radwege nur bei der vorgeschriebenen Breiten aufgestellt werden dürfen. (Auszug aus den VW zur StVO). Viele in der Vergangenheit gebauten Radwege erfüllen die notwendigen Maße nicht, daher wurde in den letzten Jahren bei diesen Radwegen die Benutzungspflicht aufgehoben und die entsprechenden Verkehrszeichen entfernt, allerdings nur, wenn die Verkehrsstärke dies zuließ. (Benutzungspflichtige Radwege

Für den Neubau von Radwegen gelten die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen in der Fassung von 2010 (ERA 2010), die für Maßnahmen des Landes verbindlich sind (Erlass vom 10.06.2011) und auch von den übrigen Bauträgern beachtet werden sollten. Der Stadtbaurat Hr. Mentz hat die Einhaltung der ERA 2010 auf dem Forum Verkehrswende 2021 für den Radwegeausbau in Hamm zugesagt.

Für Radschnellwege, für die seit der letzten Novellierung der StVO sogar ein eigenes Verkehrszeichen geschaffen wurde, gibt es detaillierte Vorgaben des Landes. Da der Baulastträger für Radschnellwege das Land ist, sind diese quasi verbindlich.

Zwischen Radschnellwegen und normalen Radwegen befinden sich die Radvorrangrouten. Ausbaustandards für Radvorrangrouten werden in einer Publikation der Forschungsstelle für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) beschrieben. Die Hinweise zu Radschnellverbindungen und Radvorrangrouten (H RSV) und auch die ERA 2010 sind keine öffentlichen Dokumente und müssen erworben werden.

Radschnellwege 

Zeichen 350.1

Radschnellwege dienen der leistungsstarken und schnellen Abwicklung größerer Radverkehrsmengen. (Wikipedia). Das Land Nordrhein-Westfalen hat in einer Publikation die Ausbaustandards für Radschnellverbindungen (RSV) detailliert festgelegt.  Radschnellwege haben eine Breite von mindestens 4 m für den Radweg und 2,50 m für den Gehweg. Das sind die RSV-Kriterien:

  • durchgängige Trennung zwischen Rad- und Fußgängerverkehr
  • bei baulichen Radwegen eine Mindestbreite von vier Metern
  • möglichst Vorfahrtberechtigung und grüne Ampelwelle
  • wenig Steigungen
  • Wegweisung nach NRW-Standards
  • innerorts Beleuchtung
  • geregelten Winterdienst und Reinigung
  • Servicestationen und Raststätten

Radschnellwege sind für die Verbindung zwischen großen Städten vorgesehen. Außer dem seit 8 Jahren in Planung befindlichen Radschnellweg Ruhr RS1 gibt es in NRW einige weitere Projekte zum Bau von Radschnellwegen in NRW (www.radschnellwege.nrw).

Radvorrangrouten

Radvorrangrouten (RVR) sind genauso wie Radschnellverbindungen hochwertige Verbindungen im Radverkehrsnetz und sollen bedeutende Quelle-Ziele-Potentiale des Alltagsradverkehrs in einer Entfernung von fünf bis über 20 Kilometern abwickeln (strassen.nrw.de). Baulastträger für RVR sind in der Regel die Kreise bzw. Kommunen, die aber Zuschüsse beantragen können. In ihren Qualitätsstandards liegen sie zwischen Radschnellwegen und Radwegen nach ERA 2010. Während für Zweirichtungsradwege bei einer Radschnellverbindung 4 m vorgesehen ist, beträgt die Breite bei einer Radvorrangroute 3 m, bei Einrichtungsradwegen sind es 3 m für RSV und 2,50 m bei RVR. Im übrigen gelten die gleichen oben genannten Kriterien wie für Radschnellwege.

Quelle: H RSV
Quelle: H RSV

Velorouten

Als Veloroute werden zumeist innerstädtische Radrouten bezeichnet. Sie verzahnen sich in vielen Städten zu einem gut ausgeschilderten Wegenetz für den unmotorisierten Verkehr (Wikipedia). Bei uns sind Velorouten hauptsächlich durch das Projekt der Stadtregion Münster bekannt (www.veloregion.de). Die Verkehrsplaner bezeichnen die für die Stadtregion Münster geplanten Velorouten als sogenannte Radvorrangrouten, weil Radfahrende auf diesen Verkehrsanlagen, Straßen und Wegen häufig Vorrang im Verkehrsgeschehen haben. Die Fakten zu den Velorouten:

  • komfortabel zu befahrende Radwege, Radfahrstreifen o. Fahrradstraßen in einer erhöhten Ausbauqualität   
  • gemeinsame Führung von Radfahrenden u. Zufußgehenden möglich   
  • weißer Schmalstrich als Orientierungshilfe und Logo
  • hohe Radverkehrsaufkommen (≥ 500 Radfahrende/ 24h auf den Abschnitten zwischen den Kommunen, innerorts kann die Belastung deutlich darüber liegen)  
  • Trägerschaft bei Kommunen, Kreisen u. Landesbetrieb Straßen NRW   
  • integriert im Stadtraum mit geringen Zeitverlusten an Kreuzungen und Einmündungen
  • gute, sichere und preiswerte Alternative zu Radschnellverbindungen

Vom Ausbaustandard entsprechen Velorouten weitgehend Radvorrangrouten, der Begriff Veloroute scheint eher aus Gründen des Marketing verwendet zu werden.

Radwege

Die ERA 2010 macht auf 95 Seiten detaillierte Vorgaben zum Bau der Radinfrastruktur. Dabei geht die ERA 2010 über die Vorgaben der Verwaltungsvorschriften zur StVO hinaus. Die folgende Tabelle ist eine Zusammenfassung der durch die ERA 2010 vorgegebenen Breitenmaße für Radwege. Die gemeinsame Führung von Radfahrern und Fußgängern sollte dabei die Ausnahme bleiben. “Gehwege sollen dem Fußgängerverkehr ein ungestörtes Fortkommen und einen der Umfeldnutzung entsprechenden Aufenthalt ermöglichen. Radverkehr im Gehwegbereich kann Fußgänger verunsichern oder gefährden. Bei stärkerem Radverkehr kann der Fußgängerverkehr in die Randbereiche der Gehwege gedrängt werden, so dass ihm nur noch Restflächen zur Verfügung stehen. Auch den Ansprüchen des Radverkehrs wird mit der gemeinsamen Führung oft nur unzureichend Rechnung getragen. Der Einsatz der gemeinsamen Führung mit dem Fußgängerverkehr ist daher nur dort vertretbar, wo die Netz- und Aufenthaltsfunktion beider Verkehre gering ist.” (ERA 2010 S. 27)

Die Breite von gemeinsamen Geh- und Radwegen ist abhängig von der Fuß- und Radverkehrsstärke. Dafür maßgebend ist die folgende Grafik:

ERA 2010

Die hier vorgegebenen Maße gelten auch für selbstständig geführte Radwege. Finden auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg mehr als 150 Bewegungen in der Spitzenstunde statt, sollte der Weg mit einer Breite von knapp 4 m angelegt werden.

Radhauptrouten

Die Stadt Hamm plant im Moment Radhauptrouten in die Stadtbezirke. Die Straßenverkehrsordnung und die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen ERA 2010 kennen den Begriff Radhauptroute überhaupt nicht, dort wird von Radhauptverbindungen gesprochen. Im Folgenden gehe ich davon aus, dass es sich bei den von der Stadt Hamm benannten Radhauptrouten um Radhauptverbindungen (IR III) handelt. Hier folgen eine Reihe von Merkmalen von Radhauptverbindungen aus der ERA 2010.

  • Radhauptverbindungen verbinden Stadtteilzentren zum Hauptzentrum und zwischen Stadtteilzentren.
  • Für innergemeindliche Radhauptverbindungen ist die angestrebte Geschwindigkeit 15 – 20 km/h mit höchsten 45 s Zeitverlust pro km vorgesehen.
  • Die Maschenweite des Netzes der Hauptverbindungen (200 bis 1.000 m) soll gewährleisten, dass 90% der Einwohner maximal 200 m von einer Hauptverbindung entfernt wohnen
  • Auf den Hauptverbindungen des Radverkehrs ist Winterdienst vorgesehen
  • Bei straßenbegleitenden Radhauptverbindungen ist die gemeinsame Führung mit dem Fußgängerverkehr ein Ausschlusskriterium.
  • Bei wichtigen Radverkehrsverbindungen (Kategorien AR/IR II und III) ist vor allem in Grünbereichen bei starkem Fußgänger- oder Radverkehr eine Trennung der Verkehre zu empfehlen.
  • Eine spezielle Beleuchtung von Radverkehrsanlagen ist auf Hauptverbindungen des Radverkehrsnetzes insbesondere bei einer straßenunabhängigen Führung aus Gründen der sozialen Sicherheit notwendig, aber auch zur Ausleuchtung von besonderen Problemstellen (z. B. Engstellen, Hindernisse, Kreuzungsstellen, Unterführungen).

Fazit

Die Empfehlungen für den Bau von Radwegen ist oft viel weiter als die Realität, die uns jeden Tag auf dem Fahrrad begegnet. Da die Vorgaben für die Breite von Radwegen inzwischen deutlich gewachsen ist, erfüllen viele Radwege des Bestands nicht mehr die Anforderungen. Ein Umbau würde aber auf Kosten des ruhenden und fließenden KFZ-Verkehrs gehen. Für eine Umverteilung der Fläche sind viele Kommunen noch nicht bereit.

Der angestrebte Ausbau der Radhauptrouten in Hamm (3 m breiter kombinierter Geh-/Radweg) ist geplant für nur 100 Bewegungen von Fußgängern und Radfahrern für die  Spitzenstunde. Ist das kompatibel mit dem Anspruch, den Radverkehrsanteil des Fahrrades auf 25 % zu erhöhen?


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