Wie fahrradfreundlich ist Hamm?
Ein Positionspapier in fünf Thesen
1. Radwegeausbau ist in Hamm kein kontinuierlicher Prozess
Der Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur erfolgt in Hamm nicht systematisch, sondern punktuell. Meist entstehen Verbesserungen nur im Zuge größerer Einzelmaßnahmen, die durch Fördermittel und hohen Planungsaufwand realisiert werden, wie am Dunantweg, Heinz-Kruse-Weg, an der Grünstraße oder Goethestraße.
Das Problem dabei: Lediglich kurze Teilabschnitte einer Route werden fahrradfreundlich gestaltet, während angrenzende Streckenabschnitte unverändert bleiben. So entsteht ein Flickenteppich, der Radfahrende nicht durchgehend unterstützt.
Auch bei Projekten wie der Umgestaltung der RLG-Trasse wird sichtbar, dass zentrale Elemente – etwa die Gestaltung der Knotenpunkte – nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Auch eine konsequente Beschilderung der Hauptrouten, wie nach Rhynern, fehlt bislang. Untersuchungen belegen jedoch, dass Netzqualität und Auffindbarkeit entscheidend für die Wahl des Fahrrads als Verkehrsmittel sind.
2. Fehlende Planung eigenständiger Radwege
In Hamm werden Radhauptrouten überwiegend als kombinierte Geh- und Radwege geplant. Diese Planungsstrategie erzeugt Nutzungskonflikte zwischen zu Fuß Gehenden und Radfahrenden und wird den Anforderungen an eine attraktive Radinfrastruktur nicht gerecht.
Eine Radhauptroute soll für die Bürgerinnen und Bürger eine echte Alternative zum Auto darstellen. Angesichts des hohen innerstädtischen Autoverkehrs zwischen den Stadtbezirken und der City könnte ein höherer Radverkehrsanteil erheblich zur Klimafreundlichkeit beitragen. Voraussetzung dafür sind jedoch eigenständige Radwege, sichere Knotenpunkte mit Vorfahrtsregelungen zugunsten des Radverkehrs und kurze Wartezeiten an Lichtsignalanlagen.
3. Rote Furten – Symbolik ohne Strukturwandel
Die rote Markierung von Furten an Einmündungen und Kreuzungen hat in Hamm zugenommen. Diese Maßnahme steigert die Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit für den Radverkehr.
Problematisch ist jedoch, dass diese Markierungen häufig entlang nicht benutzungspflichtiger Radwege oder auf Gehwegen mit Radfreigabe gesetzt werden. So werden Radfahrende gezielt auf schmale, qualitativ unzureichende Wege gelenkt, die nicht den Kriterien für Benutzungspflicht entsprechen. Gleichzeitig entsteht für Autofahrende der Eindruck, Radfahrende hätten auf der Fahrbahn nichts verloren.
Alternative Maßnahmen wie Fahrradweichen oder Piktogramme auf der Fahrbahn, die den Radverkehr im Mischverkehr legitimieren würden, werden von der Stadtverwaltung abgelehnt. Damit verfestigt sich eine Infrastruktur, die den Radverkehr auf suboptimale Routen verweist, anstatt ihn gleichberechtigt im Straßenraum zu integrieren.
4. Fehlende institutionelle Verankerung – kein Radverkehrsbeauftragter
In Hamm gibt es keine zentrale Ansprechperson mit Leitungsverantwortung für den Bereich Radverkehr bzw. Nahmobilität. Daher bleibt die Planung stark autozentriert. Neue Straßenprojekte erfüllen zwar die gesetzlichen Vorgaben (z. B. ERA 2010, RASt 06), doch werden dabei häufig Mindest- statt Regelmaße für Radwege angesetzt.
Das Fehlen einer fachlich qualifizierten Koordinationsstelle führt zu Planungsdefiziten. Beispiele sind die unzumutbare Anbindung des Auenparks an den Heinz-Kruse-Weg oder die Verengung des Geh- und Radwegs am Lippedamm von 4 m auf 2 m Höhe der Kläranlage Mattenbecke. Auch die schleppende Umsetzung einfacher Maßnahmen – wie die Montage des Verkehrszeichens „Grüner Pfeil“ für Radfahrende, das seit fünf Jahren bundesweit zulässig ist – verdeutlicht Defizite in der Priorisierung.
Kostengünstige Verbesserungen, etwa durch gezielte Fahrbahnmarkierungen, werden kaum umgesetzt. Stattdessen beschränkt sich die Stadt vielfach auf punktuelle Maßnahmen wie Haifischzähne, ohne die Qualität des Radnetzes systematisch zu steigern.
5. Radwegesanierung – Anspruch und Realität
Die Stadt Hamm verweist auf ein „Radwegesanierungsprogramm“. Darunter versteht man aus Sicht vieler Radfahrender die bauliche Instandsetzung bestehender, oft maroder straßenbegleitender Radwege.
Tatsächlich wird der Begriff jedoch anders gefüllt: Radwege werden in der Regel nur dann erneuert, wenn im Zuge anderer Bauarbeiten (z. B. Kanalsanierung, Leitungsverlegung) der gesamte Straßenquerschnitt neu geplant wird. Eine eigenständige, am Bedarf des Radverkehrs orientierte Sanierungsstrategie existiert nicht.
Auf diese Weise entstehen zwar punktuell neue Radwege, ein durchgehendes, qualitativ hochwertiges Radverkehrsnetz lässt sich mit diesem Vorgehen jedoch nicht realisieren.
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