Radverkehr im Koalitionsvertrag „Auf Kurs 2030“

Veröffentlicht von Walter Hupfeld am

Mit dem Titel „Auf Kurs 2030“ hat die neue Koalition aus SPD, Grünen, Volt und FDP ihren Koalitionsvertrag für Hamm vorgestellt. Inhaltlich setzt die Koalition vor allem auf Kontinuität – viele Vorhaben werden fortgeschrieben, neue Impulse sind nur vereinzelt erkennbar.

Radverkehr bleibt Thema – aber ohne echte Neuausrichtung

Positiv ist: Der beschlossene Mobilitätsplan wird ausdrücklich bestätigt, auch wenn der Begriff Masterplan nicht direkt erwähnt wird. Die Koalition kündigt an, die Mittel für den Radverkehr um eine Million Euro zu erhöhen und zusätzliche Planungsstellen zu schaffen. Eine klare Angabe der Gesamtmittel fehlt jedoch. Bedauerlich ist zudem, dass weiterhin kein eigenständiger Nahmobilitätsbeauftragter in leitender Funktion vorgesehen ist – eine zentrale Forderung des ADFC Hamm.

Insgesamt bekennt sich die Koalition zwar zum Ziel, Rad-, Fuß- und ÖPNV-Verkehr zu stärken, hält aber zugleich am Vorrang des Autos fest. Das wird besonders deutlich bei den Aussagen zu Tempo 30, das zwar für Lärmschutz und Sicherheit eingeführt werden soll – aber nicht auf Hauptstraßen.

Infrastruktur: Viel Ankündigung, wenig Verbindlichkeit

Bei Straßenneu- und -umbauten will man die Verkehrsflächen gerechter aufteilen und nennt als Beispiel die Goethestraße. Tatsächlich wurde dort lediglich die aktuellen Regelwerk angewendet, die Breiten für Radfahrsteifen werden in der anstehenden Neufassung deutlich angehoben. Eine echte geschützte Radinfrastruktur (Protected Bike Lanes) hat man nicht realisiert. Schon der Koalitionsvertrag von 2020 versprach Protected Bike Lanes – umgesetzt wurde keine einzige. Nun stehen sie erneut im Vertrag. Ob sich diesmal etwas ändert, bleibt abzuwarten.

Auch der Ausbau der Radhauptrouten soll weitergehen. Diese wurden in den letzten fünf Jahren geplant, doch der Vertrag nennt keine Zielmarke, bis wann ein bestimmter Ausbaugrad erreicht sein soll. Dringend wären etwa die Projekte Wilhelmstraße und Bahnunterführung Wilhelmstraße, die für die Routen nach Herringen und Pelkum zentral sind.
Vom Radschnellweg Ruhr (RS1) ist keine Rede mehr – ein bedauerliches Signal, denn gerade dieser würde Hamm überregional besser anbinden.

Aktionsprogramm Radverkehr

Das Aktionsprogramm Radverkehr soll fortgeführt werden. Dazu zählen:

  • mehr Fahrradstraßen,
  • neue Radabstellanlagen,
  • beleuchtete und breitere Radwege,
  • der Abbau von Barrieren und Radwegsperren,
  • sowie die Fortführung des Sanierungsprogramms und die Markierung von Radwegen.

Ergänzt werden diese Punkte durch kleinere Maßnahmen wie Fahrradampeln, Wartebretter und fahrradfreundliche Mülleimer. Neu ist die Idee, dass Radfahrende selbst bei der Pflege von Radwegen einbezogen werden sollen – eine charmante Idee. Wenn man schon Selbstbeteiligung fordert und die Verkehrsarten als gleichberechtigt betrachtet, könnte man ironisch sagen: Vielleicht sollten auch Autofahrende ihre Straßen selbst pflegen.

Verkehrswende ohne Lenkungswirkung

Die Verkehrswende in Hamm soll über Anreize, nicht über Einschränkungen erreicht werden.
Das bedeutet konkret:

  • keine Parkraumbewirtschaftung,
  • keine höheren Parkgebühren,
  • keine teureren Bewohnerparkausweise.

Stattdessen setzt man auf Parkhäuser und Quartiersgaragen, um den Flächenverbrauch zu reduzieren. Doch mit 1.000 neuen Fahrzeugzulassungen jedes Jahr wächst der Bedarf um etwa 12.000 Quadratmeter Stellfläche – das entspricht fast zwei Fußballfeldern pro Jahr. Der Kampf um den öffentlichen Raum wird also zunehmen, ohne dass der Koalitionsvertrag hierfür eine Lösung anbietet.

Fehlende Push-Maßnahmen

Forschungsergebnisse zeigen: Eine Verkehrswende gelingt nicht allein durch attraktive Alternativen zum Auto. Es braucht auch „Push“-Maßnahmen, also Einschränkungen des Autoverkehrs – etwa:

  • höhere Parkgebühren,
  • Beschränkungen für den Durchgangsverkehr in Wohngebieten,
  • oder eine klare Priorisierung des Umweltverbunds.

Davon findet sich im Vertrag keine Spur.

Fazit

Der Koalitionsvertrag bestätigt die bisherigen Radverkehrsmaßnahmen, ohne den notwendigen Systemwechsel einzuleiten.
Ja – es wird weiter investiert, doch mit den vorgesehenen vermutlich 3 Millionen Euro Gesamtmitteln lässt sich nur ein Bruchteil der rund 110 Kilometer Radhauptrouten sanieren oder ausbauen.
Die neue Koalition bekennt sich zum Radverkehr – aber sie priorisiert weiterhin das Auto.
Der eingeschlagene Kurs ist besser als Stillstand, aber weit entfernt von einer echten Verkehrswende in Hamm.
Ohne ein sicheres, komfortables und zusammenhängendes Radwegenetz mit Vorrang für den Radverkehr wird es keinen massenhaften Umstieg auf das Fahrrad geben. Die im Masterplan Mobilität formulierten Ziele für den Modal Split bleiben somit in weiter Ferne.



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