Am Hämmschen – Scheitern mit Ansage

Veröffentlicht von Walter am

Im Jahr 2019 wurde die Straße “Am Hämmschen” erneuert und im Anschluss Schutzstreifen für Radfahrende auf der Fahrbahn markiert. Bereits in 2020 erschien im WA ein Artikel mit dem Titel Scheitern mit Ansage: Schutz für Radfahrer klappt hier nicht. Seitdem hat sich nichts geändert. Für Radfahrende ist die Gestaltung der Schutzstreifen eine Katastrophe und trägt sicher nicht zur Steigerung des Radverkehrs in Heessen bei. Auch wenn die Stadt behauptet, wie zuletzt auf dem Radlerstammtisch im April, die Ausgestaltung gemäß den aktuellen Richtlinien ausgeführt zu haben, funktioniert die eigentliche Schutzfunktion überhaupt nicht – für mich eine desaströse Fehlplanung, die eigentlich hätte von den Planern antizipiert werden müssen.

Am Hämmschen

Autofahrende ignorieren den Schutzstreifen

VZ 340

Die Straßenverkehrsordnung sagt aus, dass die gestrichelte Linie des Schutzstreifens nur bei Bedarf überfahren werden darf. Gegen diese Vorgabe der Straßenverkehrsordnung wird Am Hämmschen permanent verstoßen. Dies verwundert auch nicht, wenn man sich die Führung der Schutzstreifen ansieht. Auf Am Hämmschen gibt es zwei Überquerungshilfen, wo der Fahrstreifen an den rechten Rand der Straße geführt wird. Nach der Überquerungshilfe verläuft der Schutzstreifen und die Fahrbahn links vorbei an auf der Straße markierten Parkplätzen. Dadurch müssten die Autofahrenden praktisch eine Schlangenlinie fahren, was bei den dort üblichen Geschwindigkeiten nicht gemacht wird. VZ 340 wird daher einfach missachtet und eine gerader Weg benutzt. 

Dadurch, dass die Schutzstreifen ignoriert werden, fehlt auch die geschwindigkeitsreduzierende Wirkung des Schutzstreifens. Im WA wird ausgeführt: “Bei einer Bürgerversammlung zur Hämmschen-Sanierung hatte eine städtische Mitarbeiterin erläutert, die Einrichtung von Fahrradschutzstreifen in beide Richtungen und die durch den steten Seitenwechsel der Parkbuchten hervorgerufene Schlangenlinienführung des Verkehrs erhöhten die Sicherheit der Radfahrer. Der Schutzstreifen dürfe von Autos genutzt werden, wenn kein Radfahrer ihn benutze. Ansonsten bremsten Schutzstreifen und Schlangenlinien den Verkehr.

Abgesehen davon, dass die städtische Mitarbeiterin offensichtlich die Verkehrsregeln nicht kennt und hier eine Falschaussage trifft,  dürfen Schutzstreifen von Autos eben nicht benutzt werden, auch wenn dort kein Radfahrender unterwegs ist. So wird auch die Sicherheit der Radfahrende nicht erhöht, da die PKW den Schutzstreifen missachten und mit viel zu hoher Geschwindigkeit unterwegs sind.

Autofahrende ignorieren  das Abstandsgebot beim Überholen

Seit der Novellierung der StVO in 2020 ist der Abstand beim Überholen von Radfahrenden innerorts auf 1,5 m festgelegt worden. Dieser Abstand gilt auch, wenn der Radfahrende auf einem Schutzstreifen fährt. Ein Problem stellen Am Hämmschen die Überquerungshilfen dar. Der Schutzstreifen, der eine Breite von 1,5 m mit Abstand von 0,5 m zu parkenden Autos gemäß den Vorgaben ausgestaltet ist, verengt sich hier deutlich auf 1 m. Die Stadt argumentiert, dass die Pflasterrinne zur Fahrbahn gehört und damit die Mindestbreite für Schutzstreifen eingehalten wird. Juristisch mag diese Argumentation bestand haben, im Sinne der Fahrradfahrer ist der Schutzstreifen hier zu schmal. 

Durch die Markierung der Schutzstreifen ergibt sich ein ausgeprägtes Spurverhalten (Bündelung der Fahrlinien) sowohl für den Rad- als auch für den Kfz-Verkehr. Der Radfahrende fährt im Bereich der Überquerungshilfen mittig auf dem 1 m breiten Schutzstreifen und wird dabei von Autofahrenden auf der Autospur überholt. Das dies so möglich ist, suggeriert die Anordnung der gestrichelten Linie. Das Abstandsgebot von 1,5 m beim Überholen wird ignoriert. Defacto gilt aber im Bereich der Überquerungshilfen ein Überholverbot, das häufig missachtet wird.

Besser wäre es, die gestrichelte Linie vor der Überquerungshilfe enden zu lassen. Dann kann sich der Radfahrende zur Mitte der Fahrbahn orientieren und ein Überholen ist nicht mehr möglich. Dies sieht im Übrigen auch die ERA 2010 vor: “Bei Mittelinseln oder Mittelstreifen können Schutzstreifen angelegt werden, wenn eine Breite von mindestens 2,25 m zwischen dem Schutzstreifen und der Mittelinsel bzw. dem Mittelstreifen verbleibt. Dies entspricht bei einem Schutzstreifen von 1,50 m einer Fahrbahnbreite von 3,75 m. Verbleiben weniger als 2,25 m Restfahrbahn, so endet der Schutzstreifen ca. 20 m vor der Mittelinsel”.

Eine solche Anordnung wäre auch auf “Am Hämmschen” sinnvoll gewesen, auch wenn die oben angegebenen Maße unter Berücksichtigung der Pflasterrinne und der Abläufe gerade so eingehalten werden.

Den Absatz der ERA 2010 “Ein Schutzstreifen ist in der Regel 1,50 m, mindestens aber 1,25 m breit. Diese Maße sollten vergrößert werden, wenn die nutzbare Breite des Schutzstreifens eingeschränkt ist (z. B. durch nicht gut befahrbare Rinnen o.Ä.).” hat die Stadt Hamm einfach ignoriert oder sie hält die Rinne für gut befahrbar.

Das Land Baden-Württemberg hat in einem Leitfaden zu Markierungslösungen geschrieben “Für den Radverkehr nicht befahrbare Flächen (Rinnen, Breite der Straßeneinläufe) werden auf das Breitenmaß nicht angerechnet.” 

Fazit

Bei der Gestaltung der Schutzstreifen ist Am Hämmschen vieles falsch gemacht worden. Die Argumentation der Stadt, dass alles den gesetzlichen Vorgaben entspricht, mag zwar richtig sein, aber zur Umsetzung von Vorgaben gehört mehr als nur ein Reißbrett. Durch die Anordnung der Schutzstreifen

  • wird gegen Vorgabe der StVO, dass die gestrichelte Linie nur bei Bedarf überfahren werden darf, permanent verstoßen,
  • die geschwindigkeitsreduzierende Wirkung der Schutzstreifen ausgehebelt und
  • Auffahrenden suggeriert, das Abstandsgebot beim Überholen zu missachten.

Mehr zum Thema Schutzstreifen findet man im Artikel FAQ Schutzstreifen für Radfahrende.

Weitere Informationen


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