Verkehrswende in Hamm: Viel Papier, wenig Fortschritt

Veröffentlicht von Walter am

Trotz zahlreicher Debatten und Planungen kommt die Verkehrswende in Hamm nur schleppend voran. Während andere Städte mutige Schritte unternehmen, um den Umweltverbund aus Fuß-, Rad- und öffentlichem Nahverkehr zu stärken, hat in Hamm weiterhin auf den motorisierten Individualverkehr Vorrang. Die bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus, um eine nachhaltige Mobilitätswende einzuleiten. Stattdessen nimmt der Platzbedarf des Autoverkehrs weiter zu, während der Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel nur schleppend vorankommt.

Was ist die Verkehrswende und warum ist sie notwendig?

Die Verkehrswende beschreibt den Übergang von einer autozentrierten Infrastruktur hin zu einer nachhaltigen, klima- und menschenfreundlichen Mobilität. Sie ist dringend erforderlich, um den CO₂-Ausstoß zu reduzieren, die Luftqualität zu verbessern und lebenswerte Städte zu schaffen. Zudem erhöht sie die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden (Vision Zero) und entlastet die Straßen von übermäßigem Verkehr.

Hamm: Kleine Schritte, aber keine echte Wende

Zwar hat die Stadt Hamm seit der letzten Kommunalwahl 2020 einige Maßnahmen ergriffen, wie den Ausbau von Radwegen und Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV), doch fehlt es an einem konsequenten Konzept zur Reduzierung des Autoverkehrs. Eine echte Verkehrswende erfordert mutigere Schritte.

Maßnahmen für den Radverkehr

In der vergangenen Legislaturperiode wurden Fortschritte im Radverkehr erzielt: Radhauptrouten in alle Stadtbezirke wurden geplant, einige Abschnitte umgesetzt, viele Umlaufsperren abgebaut, Fahrradbügel installiert und Ampelschaltungen optimiert. Dennoch sind viele Radwege kombinierte Geh-/Radwege, schlecht beleuchtet und daher in der Dunkelheit wenig attraktiv. Zudem fehlt es an der Sanierung und Erweiterung straßenbegleitender Radwege, die oft nur durch die Reduzierung von Fahrspuren oder Parkplätzen realisiert werden könnten.

Maßnahmen für den ÖPNV

Der öffentliche Nahverkehr wurde durch preiswerte Tickets wie das kostenlose MaxiTicket für Schüler*innen und Auszubildende sowie eine geplante Taktverdichtung einiger Linien verbessert. Doch auch hier bleibt der Fortschritt begrenzt, da keine umfassenden Konzepte zur Reduzierung des Autoverkehrs existieren.

Maßnahmen für Sicherheit

Tempo-30-Zonen wurden vor Schulen, Kindergärten und Altenheimen eingerichtet, Radverkehrsfurten rot markiert, doch eine konsequente Umsetzung von Vision Zero (keine Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr) fehlt. Lärmbelastung, die durch Tempo 30 deutlich reduziert werden könnte, wird weiterhin ignoriert.

Warum kommt Hamm nicht voran?

Mehr Autos, weniger Platz

Die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge in Hamm steigt kontinuierlich – von 112.262 im Jahr 2020 auf 117.011 im Jahr 2024. Diese Autos, die zudem immer größer werden, beanspruchen immer mehr öffentlichen Raum, was zu Konflikten mit Fußgängern und Radfahrern führt. Jeder wegfallende Parkplatz löst hitzige Debatten aus, die eine notwendige Neuaufteilung der Verkehrsflächen blockieren.

Parkraum zu billig

Günstiges oder kostenloses Parken macht das Autofahren attraktiv. In Hamm kostet das Anwohnerparken nur 27 € pro Jahr – ein Spottpreis im Vergleich zu Städten wie Bonn, wo 360 € pro Jahr fällig werden. Auch die Parkgebühren auf öffentlichen Flächen sind mit 0,50 € pro halbe Stunde lächerlich niedrig und bieten keinen Anreiz, auf alternative Verkehrsmittel umzusteigen.

Beim Bau von Radwegen geht die Stadt den einfachen Weg

Zwar wurden Radhauptrouten geplant und schrittweise umgesetzt, dabei hauptsächlich alleinstehende Radwege. Doch fehlt es an der Sanierung und Erweiterung straßenbegleitender Radwege auch an den Radhauptrouten (Wilhelmstraße, Marker Allee). Die Politik scheut den Konflikt mit Autofahrenden, was eine echte Verkehrswende verhindert.

Viel Papier, wenig Umsetzung

Der Rat der Stadt Hamm hat einen Masterplan Mobilität verabschiedet, der viele sinnvolle Maßnahmen enthält. Aber schon in den 1990er und 2000er Jahren sind für alle Bezirke Radverkehrskonzepte entwickelt worden, die dann in der Schublade liegen geblieben sind. Pläne müssen realisiert werden. Die Umsetzung der geplanten 100 km Radhauptrouten kommt nur langsam voran, und ambitionierte Ziele wie eine Steigerung des Radverkehrsanteils auf über 30 %, wie im Masterplan Mobilität beschrieben, bleiben ohne mutige und schnellere Schritte unrealistisch.

Autoverkehr vor Sicherheit und Gesundheit

Trotz des Anspruchs, die familienfreundlichste Stadt zu sein, priorisiert Hamm den Autoverkehr über die Sicherheit und Gesundheit der Bürger. Die Einführung von Tempo 30 als kostengünstige und effektive Maßnahme zur Reduzierung von Unfällen und Lärm wird nur zögerlich umgesetzt. Der Lärmaktionsplan der Stadt bleibt weitgehend wirkungslos, da die Möglichkeiten zur Reduzierung der Geschwindigkeit nicht ausgeschöpft und Bürgerbeteiligung ignoriert wird.

Wie gelingt die Verkehrswende in Hamm?

Push- und Pull-Maßnahmen kombinieren

Anreize allein reichen nicht aus. Die Stadt muss den Autoverkehr durch höhere Parkgebühren und Verkehrsbeschränkungen in der Innenstadt unattraktiver machen, während gleichzeitig der Ausbau von Rad- und Fußwegen sowie des ÖPNV vorangetrieben wird. Neben der begrüßenswerten Taktverstärkung einiger Linien bis zum 10-Minuten-Takt ist der Busverkehr attraktiver zu gestalten.

Flächen neu verteilen

Mehr Platz für Fuß- und Radverkehr ist nur möglich, wenn der Autoverkehr, vor allem der ruhende Verkehr, eingeschränkt wird. Parkhäuser und Quartiersgaragen sollten gefördert werden, während das kostenlose Parken im öffentlichen Raum abgeschafft wird.

Trennung der Verkehrsräume

Gemeinsame Geh- und Radwege führen zu Konflikten. Eine klare Trennung der Verkehrsarten erhöht die Sicherheit und Akzeptanz. Hamm sollte sich an Empfehlungen wie der Fußverkehrsstrategie des Bundes orientieren.

Vision Zero konsequent umsetzen

Hamm muss sich der Vision Zero verschreiben und Tempo 30 in der Stadt flächendeckend einführen. Die Novellierung der StVO 2024 bietet hierfür neue Spielräume, die genutzt werden sollten.

Carsharing fördern

Carsharing kann die Anzahl der Pkw reduzieren und die Auslastung der Fahrzeuge erhöhen. Immer noch steht in Deutschland der Besitz eines Autos im Vordergrund und nicht die Nutzung. Autos sind für viele Statussymbole und der Kauf ist eine emotionale und keine rationale Entscheidungen. Davon müssen wir wegkommen.

Die Stadt sollte Anreize für die Ausweitung von Carsharing schaffen, z.B. durch reservierte Parkplätze, kostenloses Stromtanken und Marketing.

Antriebswende ist keine Verkehrswende

Elektroautos sind zwar emissionsärmer, aber sie lösen nicht die Probleme des Platzbedarfs und der Feinstaubbelastung. Die Stadt sollte als Anreiz für mehr E-Autos Ladeinfrastruktur fördern, aber gleichzeitig den Autoverkehr insgesamt reduzieren.

Die Anschaffung von Wasserstoffbussen für den ÖPNV ist eine Fehlentscheidung. Die Zukunft bei Bussen und Lkws ist elektrisch. Die Erzeugung von Wasserstoff ist wichtig für viele industrielle Prozesse und den Flugverkehr, aber nicht für den ÖPNV. Und im Moment steht kaum grüner Wasserstoff in ausreichender Menge zur Verfügung.

Fazit

Hamm steht vor der Herausforderung, mutige Entscheidungen zu treffen, um die Verkehrswende voranzutreiben. Ohne eine konsequente Reduzierung des Autoverkehrs und eine Neuverteilung des öffentlichen Raums wird die Stadt ihre Ziele, insbesondere die Klimaneutralität bis 2035, nicht erreichen. Dazu sind finanzielle Mittel und Überzeugungsarbeit notwendig.

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